Hoffnung ein Leitmotiv.
Am Ostermontag 2025 verstarb Papst Franziskus – ein Hirte, der die Kirche mehr als ein Jahrzehnt lang durch bewegte Zeiten geführt hatte. Nur wenige Monate vor seinem Tod veröffentlichte er seine Autobiografie Hoffe, ein Buch, das nun wie ein letzter großer Brief an die Menschheit wirkt.
Der Titel war Programm: Hoffnung war das Leitmotiv seines Pontifikats und das zentrale Motto des von ihm ausgerufenen Heiligen Jahres 2025 („Pilger der Hoffnung“). In seiner Verkündigungsbulle Spes non confundit (Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen) hatte er die Welt eingeladen, sich neu auf Gott und die Menschen zuzubewegen – mit Zuversicht, Offenheit und Mut.
Rückblickend wirkt Hoffe wie seine letzte große Botschaft: das geistige Testament eines Mannes, der wusste, dass sein Weg zu Ende ging. In vielen Zeilen spürte man diese existenzielle Tiefe – Franziskus schrieb nicht für die Ewigkeit, sondern für das Jetzt. Für eine Welt, die verwundet ist. Für eine Kirche, die ringt. Und für die Menschen, die nicht aufhören dürfen zu hoffen.
Hoffe ist das Zeugnis eines Lebens, das von Brüchen, Umkehr, Gebet und Demut geprägt war. Ein Buch, das mehr ist als eine Autobiografie – es ist das Vermächtnis eines Papstes, der bis zuletzt an das Gute im Menschen glaubte.
Hoffe
„Hoffe“ von Papst Franziskus: Kein Testament, aber ein menschliches und spirituelles Zeugnis
Ich hatte mich auf das Buch gefreut, den Veröffentlichungstermin aber aus den Augen verloren und mir erst vor Kurzem eine Ausgabe gesichert. Bei einer guten Tasse Earl Grey 69 tauchte in eine mehrstündige Lektüre-Session ein in der ich Zitate markierte, Notizen machte – und gelegentlich atmete.
Trotz seiner rund 300 Seiten empfand ich keine Langeweile beim Lesen. Auch hatte ich im zweiten Teil – insbesondere in Kapitel 23 („Im Bild eines lächelnden Gottes“) – mehrere unterhaltsame Momente, als Franziskus eine Reihe katholischer Witze erzählte. Das war neu für mich.
Austen Ivereigh, Papstbiograf und Mitautor früherer Werke Franziskus’, kritisierte das Buch allerding scharf, aber nicht ganz ungerecht. Der Begriff „Autobiografie“ – sowie der Hinweis, sie sei eigentlich für eine Veröffentlichung nach dem Tod des Papstes vorgesehen gewesen – entpuppte sich schnell als geschickte Marketingstrategie. Denn Hoffe ist weder eine klassische Autobiografie noch eine strukturierte Lebensgeschichte. Vielmehr handelte es sich um ein Interviewbuch, in dem der Papst Gedanken, Erinnerungen, Geschichten und Lehren teilt.
Diese Einschätzung teilten auch deutschsprachige Rezensenten. Der Religionsphilosophische Salon etwa schrieb:
„Erstaunlich ist aber vor allem, dass der Papst sein Buch ‚Die Autobiografie‘ nennt. Denn objektiv und literarisch betrachtet, erzählt er nur auf den ersten ca. 170 Seiten wirklich Autobiografisches.“
Auch Anne Françoise Weber urteilte in ihrer Kritik bei Deutschlandfunk Kultur nüchtern:
„Viele Gedankensprünge, keine Enthüllungen.“
Dennoch zeigten sich viele Leser berührt von den Schilderungen der frühen Lebensjahre des Papstes. Neue Details über seine Kindheit, seine Familie und sein Verhältnis zu den Geschwistern – darunter seiner einzigen noch lebenden Schwester Maria Elena – bereicherten das Buch. Besonders berührend war die Szene, in der Franziskus von dem Telefonat mit ihr nach seiner Papstwahl erzählte:
„Wie geht es dir, wie fühlst du dich?‘ fragte sie. Ich lächelte: Mir geht’s gut, ganz ruhig. Die Worte wollten nur schwer über die Lippen kommen. Wir umarmten uns über das Telefon. Wir sagten einander: Wir sind immer zusammen – im Herzen des anderen.“ (S. 192)
Rezensent Hilmar Klute (Süddeutsche Zeitung) brachte diesen persönlichen Ton des Buches auf den Punkt:
„Papst Franziskus: als Ich-Erzähler ein Menschenfreund mit sympathischen Charakterschwächen.“
Auch Ulrich Nersinger, Vatikanexperte, äußerte sich differenziert:
„Franziskus‘ Autobiografie ist in einem sehr lebendigen Stil erzählt […] Es wird mitunter allzu persönlich. Manches, wo man sich fragt, ob sie in die Autobiografie eines Papstes gehören.“
Hoffe – für Menschen, die sich Franziskus nähern wollen.
Doch genau diese persönliche Offenheit war es, die Hoffe so zugänglich machte. Für Menschen, die sich – wie ich – Franziskus nähern oder ihn neu entdecken wollten, war das Buch ein idealer Einstieg. Es vermittelte ein Gefühl für seine Persönlichkeit: extrovertiert, spontan, offenherzig – und zutiefst menschlich.
In einer besonders nachdenklichen Passage erinnerte sich Franziskus an zwei Momente, in denen er sich seinem Taufpriester Enrico Pozzoli gegenüber falsch verhalten hatte:
„Ich habe oft tiefen Schmerz über diese Lüge empfunden. Wie gern würde ich diese Szene ‚zurückspulen‘…“ (S. 50)
Solche Erinnerungen – klein, aber ehrlich – zeigen einen Papst, der sich selbst hinterfragte. Einen Menschen, der nicht vorgab, perfekt zu sein, sondern sich verletzlich zeigte. Und genau darin liegt für mich die spirituelle Kraft dieses Buches.
Auch wenn sich viele Rezensenten an der unklaren Struktur, inhaltlichen Sprüngen oder der fehlenden literarischen Kohärenz störten – wie etwa Elisabeth Pongratz vom NDR, die anmerkte:
„Neben seinen Erlebnissen lässt Franziskus immer wieder seine politischen Vorstellungen einfließen. Auch hinsichtlich der katholischen Kirche.“
Hoffe ist mehr als eine Autobiografie. Es ist ein Vermächtnis aus Worten, geboren aus einem Leben voller Zweifel, Brüche und Glauben. Es ist das Vermächtnis eines Mannes, der mit offenen Händen durchs Leben ging.
Kein theologisches Traktat, kein wohlgeordnetes Manifest – sondern gelebte Hoffnung, tastend und stark zugleich. Es ist ein Bekenntnis: zur Menschlichkeit, zur Verwundbarkeit, zur Liebe, die niemals aufhört zu hoffen.
Ein Buch, das bleibt, weil es nicht perfekt sein will. Ein Buch, das bleibt, weil es in dunkler Zeit die Kerze der Hoffnung weiterreicht.
Hoffnung – das letzte Wort eines Papstes, der nie aufgehört hat zu hoffen.
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